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Unheimliche nacht

Gelungene Premiere der Ruhpoldinger Heimatbühne

Weihnachtszeit. Staade Zeit. Besinnlichkeit und für viele eine Gelegenheit einmal kurz aufs innere „Reset“-Knöpferl zu drücken. Handy, Internet, Kommunikationsüberschuss, Neid & Mißgunst sind Schlagwörter unserer Zeit. Brauchtum, Kulturgut, Rauhnächte, Traditionen und Menschlichkeit vermeintlich Wortpaare aus vergangenen Zeiten.

Die ausverkaufte Ruhpoldinger Heimatbühne empfängt die Besucher mit einem phantastischen Bühnenbild. Elfen, Feen, Fabelwesen und Waldgeister sind der Auftakt zu einer „unheimlichen Nacht“. Das Stück „Bayrische  Rauhnacht“ findet seinen Ursprung im Jahr 2002, damals präsentiert von der Kirchseeoner Musikgruppe Schariwari. 2004 wurde es unter Regie und Initiative von Hermann Hipf in Ruhpolding in neuem Gewand unter „A unheimliche Nacht“ einem begeistertem Publikum präsentiert.

15 Jahre später. „Jenseits des Verstandes existiert eine Welt. Eine Welt in der die Wirklichkeit wie ein Eindringling wirkt. Eine Welt in der unsere Träume schlummern. Weckt sie wieder auf und erzählt Eure Geschichten. Öffnet die Schatzkammer Eurer Phantasie und nehmt so viel mit wie Euer Geist und Herz tragen kann.“ Was etwas pathetisch klingt, ist der Einstieg in knapp zwei Stunden herrliches Theaterspiel.

Hermann Hipf hat neu inszeniert, keineswegs altbacken, sondern modern, manchmal etwas schrill, aber stet bodenständig. Wenig Bauerntheater, mehr Show. Keine hölzernen Dialoge sondern ein stimmiges Musical, oder sollte man besser sagen „Mystical“. Würde es einen Preis in deutschen Landen oder dem Chiemgau geben, wäre „Ein unheimliche Nacht“ DER Kandidat für den Oscar „Beste Kostüme“. Evi Schweiger und Steffi Sander zauberten die eindrucksvollen Garderoben aller Akteure, Evi Schweidler und Sonja Hartl zeichnen für die zauberhaften Masken verantwortlich. Der Preis ist ihnen sicher.

Überhaupt bewies die Ruhpoldinger Heimatbühne einmal mehr, dass der schmale Grat von der „Laienbühne“ zum professionellem Ensemble bestenfalls ein nunmehr hauchdünner ist. Alle Schauspieler spielten überzeugend, äußerst textsicher und mit einer beneidenswerten Authentizität. Allen voran der Waldgeist Michael Lindhuber, aber auch die Elfe Angela Meisl oder die vier Elemente (Erde = Antonie Feichtenschlager, Luft = Maria Hipf, Feuer = Simon Geierstanger und schließlich das Wasser = Manfred Hartl).  Wunderbar auch dem Zeremonienmeister Idur (Volker Schweidler) bei der Arbeit zuzusehen. Nicht weniger als 24 Schauspieler nahmen das Publikum mit in diese Phantasiewelt, luden ein zum Nachdenken und legten den einen oder anderen Finger in unsere neuzeitlichen Wunden, nicht ohne uns allen auch ein paar – in die staade Zeit passende – Gedanken mit auf den Weg zu geben.

Einerlei ob Zauberwelt, Zwischenwelt, alpenländliche Besinnlichkeit oder irrwitzige Optik ala „Alice im Wunderland“, sowohl die Darsteller als auch die musikalische Untermalung der Ruhpoldinger Band SÖÖR berührten zutiefst. Das auch der Humor nicht zu kurz kam, ist dem Drehbuch geschuldet, welches Herman Hipf mit sehr viel Liebe zum Detail dem Zeitgeist angepasst hat.

Kurzum: eine Weihnachtsbotschaft der etwas anderen Art, abseits von biblischen Vorlagen, aktueller denn je. Eine tolle Premiere mit einem tollen Ensemble, perfekter Lichtgestaltung und preisverdächtigen Kostümen und Maske. Die aktuell angesetzten weiteren Vorstellungen sind bereits ausverkauft. Mehr Informationen unter www.ruhpoldinger-heimatbuehne.de.

*** © Udo Kewitsch, 11.12.19 / Zeichen 3472 / Zeilen 51 ***

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