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Ina Müller

Großes Entertainment mit 48                  

Hitzewallungen in der Olympiahalle

48 Jahre. Ja und. Midlife Crisis oder Galgenhumor? Weder noch. Während andere ihre Hitzewallungen und Fettpölsterchen geflissentlich ignorieren, verdrängen oder so tun als ob „altern“ nur die anderen betrifft, mach Ina Müller einen Schritt nach vorn, geht auf Tour, nennt selbige und auch Ihr neues Album nach der Anzahl ihrer eigenen Jahresringe und lacht dem Alter ins Gesicht. Dies auf eine sehr charmant direkte, ja, gar schnoddrige Art, dass „das Alter“ es sich vielleicht noch gut überlegen wird sich mit Frau Müller anzulegen. Weil im verbalen Schlagabtausch wird es keine Chance haben. Frau Müller kann austeilen, einstecken und singen kann sie auch noch. Doch der Reihe nach.

Die Münchner Olympiahalle ist nicht ganz ausverkauft, aber gut neuntausend Zuschauer werden sich in den nächsten zweieinhalb Stunden noch prächtig amüsieren. Die große Bühne ist von transparenten Gardinen verhüllt, pünktlich um 20 Uhr ertönt der Gong und die Show nimmt ihren Lauf. Es ist kein Konzert, es ist auch kein Kabarett, es ist Entertainment vom feinsten. Ina Müller, die Hanseatin, begrüßt die letzten Gäste, die zu ihren Stühlen schleichen höflich mit den Worten „schön, dass ihr es noch geschafft habt, aber wenn wir im Norden sagen, wir fangen um Acht an, dann fangen wir um Acht an“. 1:0 für Frau Müller. Die erste „Moderation“ nach dem Intro lässt erahnen, wohin der Abend führen wird. Auf ein spiegelglattes Lachparkett. Ina schwadroniert über die Wechseljahre und nimmt sich dabei am liebsten selbst aufs Korn. Die Hitzewallungen werden mit ihren hochroten Ohren bekämpft, weil sie versucht sich mit diesen Luft zu zufächeln, doch leider ist sie kein Elefant, wobei das Wanderfett ihr immer mehr zusetzt und es ihr so vorkommt, als ob die Waden aus den Schuhen wachsen. Sie fühlt sich wie ein wandelndes dickes kleines Biokraftwerk und wundert sich daher umso mehr, dass EON noch nicht darauf gekommen ist sie als „Heizung to go“ anzustellen.

„Ich bin es nicht“ zeigt dann die musikalischen Qualitäten der Nordfrau. Die siebenköpfige Truppe (Gitarren – Hardy Kayser und Mirko Michalzik // Keyboards – Kai Fischer // Bass – Dirk Ritz // Schlagzeug – Marco Möller // Background – Sarah Jane McMinn und Ulla Ihm) untermalt die sanften und inhaltsreichen Songs gekonnt und unaufdringlich. War die letzte Show in der Olympiahalle doch noch sehr sexistisch geprägt, ist Ina Müller in diesem Jahr etwas seriöser, zurückhaltender unterwegs. Doch das gemäß einer Studie aus Uppsala Männer alle 20 Sekunden an Sex denken, ist Anlass genug für sie ein genaues Bild zu zeichnen. Da fehlen ihr nach eigenem Bekunden zum Schweigen dann doch die Worte. Sie genießt den Auftritt, ist in ihrem Element. Locker und eloquent unterhält sie die gesamte Oly-Halle, reißt eine Zotte nach der anderen, begibt sich mittenrein ins Publikum, flaxt, interviewt und hat richtig Spaß. Auch das im Wort „Kaufrausch“ das Wort „Frau“ schon drinsteckt, erscheint ihr nur wenig überraschend.

Trotz allem bekennt sie dann musikalisch temporeich „Ich will kein Teenager mehr sein“, springt im Anschluss auf den kleinen Flügel und erzählt vom Sinn eines solchen, den sie so gerne selbst spielen würde – begibt sich an die Tasten und beginnt virtuos einen Klassiker, um kurz darauf von Kai Fischer „verraten“ zu werden, der für den Playback-Effekt verantwortlich war und gar nicht mehr aufhören mag. „Ich sagte, ein kleiner Gag und nicht die große Kai Fischer Piano Show“ maßregelt sie ihn sogleich. Der Saal ist „very amused“.

„Fremdgehen“ erzählt musikalisch wertig romantisch von Affären und einige Hits später fragt sich Ina Müller ob ein Vibrator-Test bei Stiftung Warentest mit „befriedigend“ nicht sogar besser abschneidet als mit „gut“? Das sie nachts nackt im Schneidersitz vorm Kühlschrank sitzt und Schokolade auch Obst ist (Kakaobohnen wachsen auf Bäumen, wie Äpfel) sind nur ein paar Anekdoten aus ihrem schillernden Repertoire. So endlos sie plaudern und singen könnte, so endlos ließe sich über diesen tollen Abend berichten. Kurzum: allen Hitzewallungen zum Trotz, eine fabelhafte Entertainment Show – verglichen mit einem guten Wein, wird es demnach mit 50 oder 52 nochmals besser werden. Wir freuen uns drauf.

*** © Udo Kewitsch, 12.04.14 / Zeichen 3598 / Zeilen 57 ***

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